Kundenzentrierung – ein Abstecher in die Wirklichkeit.

ODER „Warum Kundenzentrierung so weh tut. Und wie man mit dem Schmerz umgeht.“

„Die Angebote, die wir machen, müssen kundenzentriert sein“ – Kaum ein anderer Satz steht wohl so elementar fürs Design Thinking. Oder anders ausgedrückt, aber genauso vielfach zitiert: „Der Wurm muss dem Fisch schmecken, nicht dem Angler.“ All diese Sätze gehen uns so wunderbar leicht von den Lippen.

Die Ernüchterung setzt allerdings ein, wenn es zur Umsetzung kommt: Warum löst es in der Praxis einen derart ungeheuren Respekt aus, den Kunden wirklich ins Zentrum zu stellen? Warum ziehen Unternehmen und Organisation es immer wieder vor, sich in Studien zu vergraben, um dem geliebten Kunden doch nicht zu nahe zu kommen?

Ich habe diesen Mechanismus nie verstanden. Bis neulich. Dann aber am eigenen Leib.

Nachdem ich auf einer Veranstaltung eine Keynote hielt, nahm mich ein guter Geschäftspartner zur Seite und kam mit mir ins Plaudern. Aber es sollte nicht beim Plaudern bleiben. Er kam zum Punkt: „War heute nicht so dein Tag?“, ich stutzte. Ein ungläubiges „Warum?“ kam noch über meine Lippen. Mir wurde ein Spiegel vorgehalten: Der Vortrag war gut, allerdings fehlte das Sprühen und Leuchten, wofür ich sonst so sehr geschätzt würde. Offensichtlich konnte ich „dieses Markenzeichen“ an diesem Abend nicht deutlich genug transportieren. Und so ging ich in die Nacht, mit einer Frage im Kopf: „Wie soll ich nur mit diesem kritischen Feedback umgehen?“

In dieser Nacht wurde mir klar, warum das Thema Kundenzentrierung meinen Kunden so schwer fällt. Ich verstand: Es tut weh, wenn ein Feedback nicht positiv ausfällt. Wir die Entwickler, die Ideenmacher und Zukunftsgestalter können so lang entspannt von Kundenzentrierung sprechen, solange wir nicht das Produkt schon jahrelang begleitet haben. Denn jahrelange Begleitung bringt zwangsläufig Liebe mit sich. Und Liebe wird erstmal (!) verletzt, wenn negatives Feedback und der Wunsch nach Weiterentwicklung und Veränderung laut werden. Verunsicherung, sich in Fragestellen, irritiert sein – wie unangenehm sich dies anfühlt. Ich konnte ein Lied davon singen.

Ich glaube, dass Ablehnung und Wut als natürliche Verteidigungsmechanismen uns in dieser Situation nicht wirklich weiter bringen. Kaum vorzustellen was passiert wäre, wenn ich meinem Geschäftspartner geantwortet hätte: „Du hast doch keine Ahnung. Am besten Du lässt mich mit deinen komischen Meinungen in Ruhe. Interessiert mich nicht!“

Wir müssen woanders ansetzen: Wir müssen es schaffen, mit dem was ist, respektvoll umzugehen. Außerdem ist es dienlich, einen gewissen Abstand zu wahren. Auf diese Weise können wir weiter „lieben“ sind aber außerdem in der Lage, die Veränderung und das Nötige zu erkennen. Oder in anderen Worten: Das Notwendige im schon Guten zuzulassen.

Zum Glück gelang mir dies an jenem Abend. Warum? Weil das Feedback voller Wertschätzung vorgetragen wurde. Und vielleicht sollte das das Learning für uns Berater sein: Vielleicht ist es gerade an uns, unseren Kunden die Angst vor dem Feedback zu nehmen. Wie? Indem wir umso mehr wertschätzen, was Entwickler und Techniker über Jahre entwickelt haben – immer das Beste im Sinn. Wertschätzen, welche Bemühungen Unternehmen und Organisationen unternommen haben, um Neues zu wagen und in der Zukunft erfolgreich zu sein. Anerkennen, was es bedeutet, mit Vertrautem zu brechen und Ungewissheit auszuhalten. Und immer wieder „Kill your darlings.“ Auch das muss man erstmal aushalten.

Außerdem ist es an uns Beratern, unsere Kunden zu lehren, ihre Kunden zu wertschätzen – und eben nicht in altbekannte „Fight or Flight“-Mechanismen abzurutschen. Wir müssen unseren Kunden beibringen, den Wert ihrer Kunden zu schätzen. Sie zu beobachten und zu befragen. Ihnen statt mit Furcht mit Neugier entgegenzutreten, um den Grund ihres Tuns zu verstehen. Und ja, auch immer wieder dies: “Kill your darlings.“ Am Ende müssen wir unsere Kunden dazu führen, eines zu erreichen: Ein Wandel, der uns Menschen nützt. Dinge erschaffen, die Überzeugen und in den Bann ziehen. Oder einfach nur einen Job zu machen, das aber mit Bravour.

Meine Learnings aus meinem Feedback:

Learning #1
Kundenzentrierung kann Angst machen

Learning #2
Feedback ist leichter ohne Liebe im Nacken

Learning #3
„Fight or Flight“ passt nicht ins 21. Jahrhundert

Learning #4
Wertschätzung in alle Richtungen ist ein Zaubertool

Danke Peter, für dein wertschätzendes Feedback nach meiner Keynote zum Thema „User Driven Innovation“. Du hast mich mit meiner Kundenzentrierung konfrontiert und ich kann (ver)wandeln.

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