#SuperFoods – Die Wiedergeburt der Haferflocke.

Nie zuvor war es so abwechslungsreich und wohl zugleich überfordernd, sich „gesund zu ernähren“. In einer Welt voller Bowls, Smoothies, Samen, Shots und Superfood kann man schon mal leicht den Überblick verlieren und den Wunsch nach Simplicity und einem ganz „normalen“ Käsebrot verspüren. Ich durfte auf dem diesjährigen foodregio Trendtag in Lübeck eine Key Note zum Thema Superfood halten und habe das Thema aus der Perspektive der dahinterliegenden Sehnsüchte und Lebensstile der Konsumenten betrachtet. Warum sind Superfoods heute so ein Hype oder gar Trend? Warum posten wir unsere Müslischalen und warum starten wir alle paar Wochen ein neues Life-Changing-Detox Programm?

Heute gilt, du bist, was du isst. Und noch viel mehr, du bist, was du nicht isst! In einer Gesellschaft, in der beim Thema Food Diäten, Intoleranzen, Kuren und Detox-Programme keine geheimen Themen mehr sind, die nur im Flüsterton geteilt werden, neigt der Mensch ganz gerne dazu, seinen Mitmenschen zu erzählen, was er alles nicht konsumiert. Und er ist häufig auch ganz groß darin, sein Umfeld missionarisch davon zu überzeugen, genau dies auch zu tun. Essen ist heute nicht mehr nur Nahrungsaufnahme und Sättigung. Essen ist heute Ausdruck unseres Stils, unserer Persönlichkeit und damit auch unserer Sehnsüchte, Ängste, Sorgen und Bedürfnisse. Und somit ist Essen unter anderem geprägt von zwei großen Tiefenströmungen des Wandels, genannt Megatrends: Individualisierung und Gesundheit.

Das Internet und der Megatrend Digitalisierung haben dem Megatrend Individualisierung eine enorme Schubkraft gegeben. Kein anderes Medium hat dem Menschen so viel Zuwachs an Autonomie und Optionen gegeben wie das Internet. Wir alle, die wir liken, posten und teilen, werden plötzlich zum Betrachter des eigenen Selbst. Und wir haben heute die Möglichkeit, viele Teile unserer Identität nun selber zu gestalten. Medien wie Facebook, Instagram, YouTube und Pinterest bieten uns heute Plattformen, auf denen wir unsere Persönlichkeit in diversen Formen kreieren, designen und ausleben können. Das Selbst wird damit zunehmend zu einer Frage des Selbst-Designs. Und so kann jeder, der auffallen und sich der Welt zeigen möchte, seinen digitalen Fußabdruck hinterlassen und seine eigene „authentische“ Geschichte erzählen. Das Netz gibt uns den anonymen und damit gefühlt sicheren Rahmen, uns selbst zu definieren. Und jeder Like, den wir für unsere Posts erhalten, zahlt dabei direkt auf unser Ego ein. Food ist heute ein Teil, der zu dieser Selbstfindung beiträgt, denn Food ist ein Puzzleteil, mit dem ich meinen Stil, mein Mindset, meine Außenwirkung und auch mein eigenes Befinden beeinflussen und gestalten kann. Und Food wird somit zum Lifestyle-Phänomen. Mit einer veganen Bowl kann ich meinen nachhaltigen, gesunden und modernen Lebensstil kommunizieren und dabei noch das Gefühl verstärken, der Welt sogar etwas Gutes zu tun. #sustainable#vegan#happy.

Ein zweiter großer Megatrend, der das Thema Food stark beeinflusst, ist Gesundheit. Dieser Begriff hat sich in den letzten Jahren stark verändert. Während Gesundheit jahrelang lediglich die Abwesenheit von Krankheit beschrieb, sprechen wir heute bei dem großen Thema „Health“ über ein proaktives holistisches Selbst- und teils sogar Lebenscoaching. Gesundheit verfolgt heute die Optimierung des persönlichen Wohlbefindens, wodurch unsere Lebensqualität zu unserem gesundheitlichen Grundprinzip geworden ist. Damit ist  Gesundheit auch einer der wichtigsten Werte der deutschen Gesellschaft, denn vor allem die vom Burn-Out geprägte Generation der Millenials weiß, dass ohne Gesundheit alle anderen „Säulen des Lebens“ auf wackeligem Grund stehen. Damit ist unsere Betrachtung von Gesundheit auch deutlich erwachsener und nachhaltiger geworden. Von einer anfänglichen Fokussierung auf Selbstoptimierung – im Sinne von Beschleunigung und Nutzen von Multioptionen – sehen wir nun einen Wandel hin zur Entschleunigung und Fokussierung. Damit weitet sich der Einflussbereich des Wortes Gesundheit enorm aus und tangiert zum Beispiel die Bereiche Sport, Reisen, den Weiterbildungssektor, Medizin – und auch Food. Denn mit Food können wir aktiv unser Wohlbefinden beeinflussen. Avocado, Poke Bowls, Chia Samen, Acai, Golden Milk mit Kurkuma – das alles sind Food Trends, die auf diesen Megatrend einzahlen. Wir bestellen jetzt Bowls anstelle von Salat – die am Ende nichts anderes sind, als die bisherigen Salatschüsseln, einfach nur „more instagrammable“. Wir essen jetzt Porridge – jetzt mit veganer Hafermilch und Früchten, so dass nichts mehr an die ursprünglich schleimig-graue Haferflocken-Milchsuppe aus unserer Kindheit erinnert.

Doch googelt man nach einer einheitlichen Definition und Wirkung von Superfood, so findet man die ernüchternde Bewertung des Europäischen Informationszentrums für Lebensmittel, das ein gesundheitlicher Mehrwert im Vergleich zu heimischem Gemüse und Früchten nicht zu erwarten sei.

Woher kommt dann der Hype um diese Superfoods? Warum sind wir bereit, unglaublich viele Euros für eine Haferflockenschale zu zahlen, obwohl Leinsamen, Brennnessel und Flohsamen die gleiche Wirkung haben? Die Antwort lautet: Sie schenkt uns Wärme, Fürsorge und Selbstliebe. Denn Essen ist etwas unglaublich Emotionales, Nährendes  und Entschleunigendes. Und es wird mehr und mehr Teil eines achtsamen Lebensstils. Der bewusste Konsument von heute ist proaktiv und reagiert nicht auf Probleme, sondern investiert gezielt in seine Performance und sein Wohlbefinden – alles im Sinne einer Steigerung der Lebensqualität. Superfoods sind dabei eine von vielen Optionen, die uns die Möglichkeit geben, mehr und mehr zu unseren eigenen Coaches zu werden. Und damit unser Glück zum Teil selbst in die Hand zu nehmen. Zudem möchte der Konsument heute zunehmend den Dreiklang aus Konsum, Ethik und Lifestyle. Und da schneiden die Floh- und Leinsamen einfach schlechter ab als eine hippe instagrammable Quinoabowl. Der Food Trend Healthy Hedonism wird in diesem Zusammenhang gerne genannt. Er beschreibt den Abschied von einem rein funktionalen Gesundheitsverständnis, das auf dem Gesetz des Verzichts basiert und der Zuwendung zu einem gesunden und sinnlichen Genießen. Essen bekommt damit heute auch eine zunehmend spirituelle Rolle.

Was heißt das für die Brand- und Innovationsmanager unter uns? Drei wichtige Insights für das erfolgreiche Innovieren im Food-Bereich:

  1. Essen ist Nahrung für die Seele und hat damit eine zutiefst emotionale Komponente und tiefliegende Wurzeln in unseren Bedürfnissen und Sehnsüchten. Ein ehrlicher und selbstreflektierter Blick auf das eigene Essverhalten, die Muster und die Empfindungen, kann helfen, sich diesen zu nähern.
  2. Essen ist heute ein Teil unserer Persönlichkeit. Wir müssen ein klares Bild und Verständnis der Lebensstile unserer Zielgruppe besitzen. Veraltete Zielgruppendefinitionen auf Basis soziodemographischer Daten sind überholt und bieten dafür keine geeignete Grundlage mehr.
  3. Essen muss heute den Dreiklang aus Konsum, Lifestyle und Ethik erfüllen. Vermeintliche Innovationen, die lediglich an der Insight-Oberfläche kratzen, bedienen dieses Bedürfnis des kritisch hinterfragenden Konsumenten nicht. Wir müssen mit konsequent durchdachten Konzepten überzeugen.

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